Im Projekt Wald, Wiese, Museumslandschaft können Schüler:innen der HLW Oberwart der Frage nachgehen, ob und wie eine Erweiterung des Haus Dellachers* am Stadtrand von Oberwart als sog. „Museumsinsel" denkbar wäre. Eine Insel aus Kunst- und Kultureinrichtungen, wo sich mehrere Generationen mit verschiedensten Zugehörigkeiten treffen und sich gegenseitig austauschen können. Das Projekt ist der wahren Sehnsucht nach so einem Ort entsprungen.
*Das vom Architekten Raimund Abraham entworfene Haus Dellacher mit seinem mehreren Hektar großen Grundstück wurde in den 1960er gemeinsam mit Max Dellacher als privates Anwesen entworfen, gebaut und von der Familie Dellacher genutzt. Über Führungen, tage- und wochenweiser Vermietung sowie über Schulprojekte versucht der das Haus bespielende Verein „Das Dellacher“ die burgenländische Baugeschichte einem breiteren Publikum zu vermitteln und somit die Tradition des Hauses als Teil der kulturellen Landschaft aufleben zu lassen.
Es wurden bestehende Kunst- und Kulturinstitute analysiert und die Schüler:innen der HLW Oberwart setzten sich mit neuen Raumbedürfnissen auseinander. Nicht nur geschlossene Baukörper, auch Zwischenräume, Passagen, Pavillions, andere halb offene Architekturformen und hybride Natur-Gebäude-Symbiosen wurden in Betracht gezogen. Räume und Raumgefühle wurden beschrieben und Maßstäbe und Modularsysteme beobachtet. In einer beachtlichen künstlerischen Leistung der Schüler:innen konnten die Erscheinungsformen der von ihnen entworfene Einheiten und ihre Funktionen so synchronisiert werden, dass die Inhalte von außen erkennbar geworden sind.
Die Frage, was der Jugend aber auch anderen Generationen am Land fehlen könnte, wurde erstens auf der persönlichen Ebene aus der Perspektive der Bevölkerung und zweitens aus der eines sich noch zu etablierenden Tourismus beantwortet. Gewohnheiten, Vorlieben, Bildungsziele, Motorik, sozialer Zusammenhalt und ihre Vereinbarkeit mit kompromissloser Zukunftstauglichkeit wurden diskutiert und in die Skizzen integriert.
Ressourcenschonung, starke Reduktion der Bodenversiegelung, Schutz der Natur und Wiederherstellung diverser Ökosysteme könnten sogar die Selbstversorgung eines solchen Projektes sicherstellen.
Die Offenheit und Bereitschaft der Teilnehmer:innen, diese utopischen Gedanken rund um solche Zukunftsbauten ernsthaft zu reflektieren, hat zu einem überraschend intensiven Austausch und schließlich zu konkreten Plänen geführt.
In einer weiteren Einheit des Workshops haben die Schüler:innen begonnen, die Räume des Haus Dellachers selbst zu erfahren. Eine intensive Raumerfahrung hat durch eine Begehung stattgefunden. Statt ihre Umgebung nur visuell wahrzunehmen, wurde sie mit mehrere Sinnen erlebt. Dafür verbinden sie sich vor dem Haus die Augen und werden an der Hand über Umwege langsam hinein geführt, ohne zu wissen wohin genau. Dabei geben sie Rückmeldungen die darauf schließen lassen, dass sie sich schnell auf die neue Art der Wahrnehmung eingestellt haben. Es wird sofort bemerkt wenn sich der Boden verändert, sowohl in der Höhe als auch in der Beschaffenheit.
Als das Haus betreten wurde, bemerken alle, dass wir uns nun in einem Innenraum befinden. Nicht nur anhand des anderen Bodenbelages, auch an der Geräuschkulisse und den Gerüchen, die sich im Haus deutlich von außerhalb unterscheiden. Auch, dass die Hindernisse und dazugehörige Akustik drinnen zunehmen, wird sofort bemerkt. Nach Ankunft in einem für sie bisher unbekannten Raum im Haus konnten sie die Augenbinden abnehmen und sollten auf einem unmarkierten Hausplan versuchen, den gegangenen Weg einzuzeichnen, selbst herausfinden, wie sie die Geschosse differenzieren können, versuchen, sich an Richtungswechsel am Weg zu erinnern, die gegangene Distanz abschätzen und an der Raumform den Raum am Plan und seine Lage im Haus finden.
Den richtigen Raum zu finden und den Weg großteils nachvollziehen? Nun sollten sie einen möglichst detaillierten und maßstabsgetreuen Plan ohne weitere Hilfsmittel und Anleitung erstellen. Sie begannen den Raum meistens mithilfe von Schritten zu vermessen. Eine Gruppe verwendete als Maßeinheiten Fingerbreiten und Schuhlängen. Im Anschluss wurde gemeinsam besprochen, welche Details wichtig sind, um anderen mit einem Plan einen Raum zu vermitteln. Zwei der Gruppen stellten Möbelstücke dar, eine bildete auch Steckdosen ab. Fenster und Türen fanden sich in allen Plänen.
Im Gespräch ermittelten wir, warum diese Faktoren wichtig sind und wie auch die dritte Dimension in einem zweidimensionalen Plan abgebildet werden kann. Die Raumerfahrung floss schliesslich in die eigene Planung ein.
Die Teams mit ähnliche Vorstellungen für ein Bau-Einheit auf dem Dellacher Grundstück bildeten bereits eine Kleingruppe. Somit geht es jetzt um die wesentliche künstlerische Gestaltung und darum einen roten Faden zu entwickeln, auszuhandeln welche Idee das zentrale Element sein wird, welche Wünsche noch in Form eines Mehrzweckgebäudes eingeplant werden können und von welchen man sich verabschieden muss. Die - durch der Gruppenarbeit geförderte und für Architekten unerlässliche - Fähigkeit zu diskutieren, Kritik zu geben und anzunehmen, lassen die Kunstwerke auf eine einzigartige und individuelle Art und Weise gedeihen. Mit der - neu erlernten - Fähigkeit der perspektivischen Darstellung gelingt es plötzlich auch mithilfe der Zeichensprache zu kommunizieren. Die Voraussetzungen einer vielversprechenden Umsetzung aus Keramik wurden mehr als erfüllt, wir freuen uns schon auf die dreidimensionale Gestaltung.
Team: Architekturverein Das Dellacher; Katharina Bürger, Johannes Handler und Kunstvermittlung; Mag. art. Szidonia Szep
Fotos: Das Dellacher und Schüler:innen der HLW Oberwart
Text: Mag. art. Szidonia Szep, Katharina Bürger
Grafik: Mag. art. Szidonia Szep
Dieses Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung/OeAD:culture connected gefördert.